Ich bin ein Freund biografischer Filme, erst recht wenn es um Tech-Gründer und die Historie hinter ihren jeweiligen Unternehmen geht.
Entsprechend war es nur eine Frage der Zeit, bis mir ein Algorithmus den Film „Bezos: Die Amazon Geschichte“ vorschlagen würde. Die Bewertungen sahen zwar mau aus, doch der Trailer war ganz gut, und diese Art von Filmen sind eher selten. Daher wollte ich meine Erwartungen nicht vorher durch schlechte Kritiken negativ framen lassen. So beschloss ich, dem Film eine Chance zu geben.

Anderthalb Stunden und 12 Euro, die ich nie wieder sehen werde, später, und ich ziehe das Fazit: Autsch. Das tat weh.
Kurz nachdem man den Film startet, fällt einem die wirklich schlecht gelungene deutsche Synchronisation auf. Eben jene Art von amateurhafter Synchronisation, die gerne von Low Budget Trash Movies verwendet wird, dort aber irgendwie zum Trash-Charakter des Films passt. „Bezos“ versucht jedoch ein ernstzunehmendes Biopic zu imitieren, weshalb die viel zu monotonen und laienhaften Stimmdarbietungen leider sehr negativ auffallen.
Das Ganze wird gepaart mit recht hölzern wirkenden schauspielerischen Leistungen. Wobei Alexandria Mitchell in ihrer Rolle als MacKenzie Bezos hier weitaus überzeugender wirkte als ihr Kollege Armando Gutierrez alias Jeff Bezos. Ich muss jedoch zugeben, dass ich mich an manchen Stellen nicht entscheiden konnte, ob die störende Darbietung nicht mehr der unterirdischen Synchronisation als der schlechten Darstellung der Schauspieler geschuldet war. Ich konnte mich jedoch nicht überwinden, mir den Film noch einmal in der englischen Originalfassung anzuschauen, um hier Klarheit zu schaffen.
Schlechte Synchronisation und mittelmäßige Schauspielerei kann man aber noch verschmerzen, wenn der Rest des Films gut inszeniert oder die Geschichte wenigstens spannend ist.
Leider war beides nicht der Fall. Die Inszenierung ist vor allem dilettantisch und fast so, als hätte sich der Regisseur 2 oder 3 Filme aus dem Genre angeschaut und anschließend versucht, deren Stil zu imitieren. Dabei wurde versucht, der Geschichte künstlich Spannung zu verleihen, was aber viel zu sehr auffällt.
So wirken beispielsweise die Probleme zwischen Jeff Bezos und seiner Frau MacKenzie schlicht konstruiert und stark inspiriert durch den Konflikt zwischen Steve Jobs und Chrisann Brennan in „The Silicon Valley Story“. Ebenso die Auseinandersetzung zwischen Bezos und Shel Kaphan gegen Ende des Films, in dem Kaphan nach Gründeranteilen fragt und von Jobs, Pardon, Bezos mit einem kalten Spruch abgewiesen wird. Auch diese Szene scheint sehr stark von der Inszenierung des Konflikts zwischen Jobs und Wozniak, ebenfalls in „The Silicon Valley Story“, inspiriert worden zu sein. Dort wurde beides nur viel besser umgesetzt.
Die im Film „The Silicon Valley Story“ dargestellten Konflikte hatten tatsächlich so oder so ähnlich stattgefunden. Dagegen wirken die Darstellungen der Auseinandersetzungen in „Bezos“ so, als wären sie schlicht konstruiert und dienten einzig dramaturgischen Zwecken. Und nicht nur das, die ganze charakterliche Darstellung scheint auf der Darstellung von Steve Jobs zu basieren.
An sich wäre das in einer filmischen Inszenierung auch okay und von der künstlerischen Freiheit des Drehbuchautors absolut abgedeckt. Es handelt sich schließlich um keine Dokumentation. Doch wirkt das Ganze derart konstruiert, dass dadurch die Glaubwürdigkeit des Films an sich extrem leidet.
Unterstrichen wird dieser Eindruck dann von befremdlich wirkenden Szenen, bei denen man sich schon fremdschämen möchte.

In einer Szene schwadroniert Bezos beispielsweise vor potenziellen Investoren davon, dass sein Unternehmen für ca. 20 Jahre keinen Gewinn machen würde, aber die beste langfristige Geldanlage aller Zeiten sei. Die Investoren himmeln ihn dabei an, als sei er der nächste Heiland. Das Ganze wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als laut Film, das Amazon-Logo noch ein Spraydosen-Banner in einer Garage war, die Firma kurz vor der Pleite stand und noch kein einziges Buch verkauft wurde.
In einer anderen Szene wünschen sich seine beiden Mitarbeiter Verstärkung im Team, und er antwortet lapidar: „Na gut, aber keine Ahnung wo wir die Leute unterbringen.“. So weit so gut, aber als ihm dann vorgeschlagen wird einen neuen Schreibtisch aufzustellen, lautet seine Antwort „Wie sollen wir neue Schreibtische kaufen, wir haben kein Geld?“. Dieser Lächerlichkeit wird dann die Krone aufgesetzt, als kurzerhand eine Tür auf zwei Holzböcken als Schreibtisch-Improvisation aufgestellt wird. Auf dieses Konstrukt wird wiederum ein neuer Computer gestellt. – Scheinbar waren Schreibtische in den 90er Jahren ein absolutes Luxusgut, dessen Preis selbst mehrere Monatsgehälter eines Programmierers, und den Preis eines neuen Computers in den Schatten stellt.
An dieser Szene werden direkt zwei weitere Kernprobleme des Films deutlich: die übertrieben dramatische Darstellung der Ereignisse sowie die immer wieder störende logische Inkonsistenz.

So „leiht“ er sich beispielsweise in einer Szene von seinem Vater ein Auto, mit dem er dann aber den ganzen Rest des Films herumfährt. Oder er stellt, bevor die Seite überhaupt programmiert, geschweige denn veröffentlicht ist, schon „Hochleistungsserver“ auf, welche regelmäßig die Sicherung durchbrennen lassen. In gefühlt jeder zweiten Szene wird er von potenziellen Investoren für seine vermeintlich absurde Idee einfach nur ausgelacht. Nur um plötzlich in dem bereits erwähnten Meeting zu stehen, wo er für seine Geschäftsidee auf einmal geradezu angehimmelt wird. Ohne dass sich etwas grundlegend an den Umständen geändert hätte. In einer weiteren Szene schaut er auf einen generischen Quellcode, um das Urteil zu fällen, dass die Website noch nicht genug „Charme“ hätte. – Wie auch immer man das an einem Quellcode-Ausschnitt beurteilen möchte. – Ich bin jemand der logische Fehler auch gerne verzeiht (Stichwort: „Suspension of Disbelief“), doch so zahlreich, und eingebettet in eine ansonsten schon derart dilettantische Inszenierung, kann man hier einfach beim besten Willen sein disbelief nicht suspenden.
Fremdscham kommt auch bei der bereits erwähnten übertrieben dramatischen Darstellung der Ereignisse auf. So fährt er anfangs quasi obdachlos durchs Land, die alte Bleibe gekündigt, die Umzugswagen im Genick, ohne auch nur einen Zielort zu kennen. Dann die bereits erwähnten durchbrennenden Sicherungen, die aufgebockten Türen als Schreibtisch-Ersatz, die künstlichen Konflikte. Auch die vermeintlichen Errungenschaften werden fast absurd in epische Bereiche gelobt. Der erste Onlineshop mit mehr als 3 Lieferbarkeitsanzeigen, nämlich 7! Und die erste Firma mit einem .com im Namen! Wow. Es wirkt, als habe jemand lange darüber nachgedacht, wie man die Errungenschaften von Amazon irgendwie als innovativ inszenieren kann, damit Amazon als innovatives Tech-Startup rüberkommt und nicht „einfach nur“ als erfolgreicher Onlineshop.
Diese ständigen Übertreibungen erzeugen den Eindruck, dass versucht wurde, die an sich recht langweilige Geschichte einer ordinären Firmen-Gründung, irgendwie spannend zu gestalten. Leider kommt dabei die Glaubwürdigkeit des Films vollständig abhanden.
Aus Sicht eines technisch bewanderten Zuschauers weiß man oft nicht, ob man lachen oder weinen soll. Mir ist bewusst, dass technische Details für Fachfremde unter Umständen schwer greifbar sind. Aber das ist eben der Grund, weshalb in vielen Produktionen fachliche Berater eingesetzt werden. „Bezos“ wirkt so, als habe der Drehbuchautor ein paar Artikel über technische Hintergründe von Amazon quer gelesen und ein paar gut klingende Schnipsel davon wild gestreut in den Film eingebaut. Ohne Rücksicht auf fachliche Korrektheit, logische Konsistenz oder einer korrekten zeitlichen Einordnung.
Herausgekommen ist ein Film voller sinnlosem Technogebabbel, Buzzword-Bingo und lächerlicher Kulisse. Es wird von der Notwendigkeit von „Custom Lösungen“ für die geplante Website gesprochen, weshalb man „Open Source gehen muss“ und entsprechend „Millionen Entwickler für sich umsonst“ arbeiten lassen würde. Dass der Amazon Quellcode Open Source wäre, ist mir neu. Die eingangs erwähnten Hochleistungs-Server (die im Übrigen eher nach 486er-PCs von Anfang der 90er aussehen) scheinen eine Anspielung auf die (viel) späteren Hochleistungs-Rechenzentren von Amazon zu sein. Der auf den Bildschirmen gezeigte Quellcode sieht eher nach eingerückten Computer-Logs aus, aber nicht nach HTML oder einer serverseitigen Programmiersprache. Ich hätte erwartet, dass ein Film über einen Tech-Pionier auch als Zielgruppe an eine Tech interessierte Zuschauerschaft gerichtet wäre. Scheinbar ist das hier jedoch nicht der Fall.
Gleiches gilt für Zuschauer mit einem Wirtschafts-Background: Für jemanden, der sich für die wirtschaftlichen Aspekte des Amazon-Werdegangs interessiert, sieht es wohl leider ähnlich aus.
Und die letzte große Enttäuschung ist dann das Ende. Denn der Film endet mit dem ersten verkauften Buch. Die eigentliche Erfolgsgeschichte von Amazon wird gar nicht gezeigt. Die Szenen vom „späteren“ Bezos wurden scheinbar nur für den Trailer gedreht, denn abseits von einer kurzen Einblendung wird davon nichts mehr gezeigt. So hat man am Ende das Gefühl, den längsten Einleitungsteil der Filmgeschichte gesehen zu haben, nur um festzustellen, dass es das schon gewesen ist. Das ist so, als hätte man „The Social Network“ mit dem Klick auf den Launch-Button bei „The Facebook“ beendet, oder „The Silicon Valley Story“ mit der ersten Bestellung eines Apple 1 Selbstbau-Kits.
Auch abseits der inhaltlichen Gestaltung wirkt der Film leider einfach billig. Die Kulissen sind kahl und generisch.
Der Film wirkt wie der krampfhafte Versuch, mit einer B-Movie-Mannschaft und einem B-Movie-Budget ein ernsthaftes Biopic über einen der einflussreichsten Menschen der Welt und seine Firma zu schaffen. Herausgekommen ist leider ein Machwerk, dem man das Unvermögen viel zu sehr anmerkt, das zu liefern, was versucht wird zu imitieren.
Die peinlichen Widersprüche und Ungenauigkeiten, die unpassend zusammen gestückelten dramaturgischen Elemente, und der schon verzweifelt wirkende Versuch, irrelevante Kleinigkeiten als episch, neu und unglaublich innovativ für die Zeit darzustellen. Das alles macht den Film einfach unglaubwürdig. Bei Filmen wie „The Silicon Valley Story“, „Jobs“, oder „The Social Network“, hatte man noch das Gefühl, zumindest eine ungefähre Wiedergabe der tatsächlichen Ereignisse gesehen zu haben, geschmückt mit dramaturgischen Elementen. Bei Bezos ist es umgekehrt: Man hat das Gefühl, als hätte man ein erfundenes Drama gesehen, geschmückt mit einigen Elementen der tatsächlichen Ereignisse.
Zusammengefasst kann man sagen: Falls du dich für die Geschichte von Amazon interessierst, lies lieber den Wikipedia-Artikel durch, der ist weitaus unterhaltsamer und dazu noch kostenlos.
Falls du ihn dir trotzdem anschauen möchtest, dann findest du ihn hier.