Über das bedauernswerte Ende von Legos programmierbaren Roboter „Lego Mindstorms“ wurde schon viel gesagt und geschrieben. Doch fast unbemerkt von dieser Entwicklung wurde im gleichen Zuge auch der kleine Bruder eingestellt: Der bunte Roboter „Lego Boost“.

Das originale Lego Boost Set 17101 kam im Jahr 2017 auf den Markt, und richtete sich mit 7-12 Jahren an ein etwas jüngeres Publikum als Lego Mindstorms. Wie bei Lego Mindstorms war der Zweck von Lego Boost, neben dem Spielspaß, vor allem den Kindern spielerisch die Grundlagen der (Roboter-) Programmierung zu vermitteln.
Das Set verkaufte sich auch direkt sehr erfolgreich, und war auch ein Baustein in Legos Kampf gegen die finanzielle Krise des Unternehmens in den mittleren 2010er Jahren.
Um den Erfolg voll auszukosten, brachte LEGO zwei Jahre später auch ein Spin-Off Projekt heraus: Das Set 75253 „Lego Star Wars Boost Droid Commander Set“. – Also Lego Boost mit Star Wars Robotern.

Der Erfolg von Lego Boost kam nicht von Ungefähr: Gerade für diese Alterszielgruppe war das Set eine echte Innovation. Denn es stellte eine gelungene Symbiose von Kreativ-Spielzeug mit einem durchaus tiefgängigen naturwissenschaftlich Lernwerkzeug dar.
Die Sets kombinierten dabei optisch schöne und kinderfreundlich gestaltete Roboter, mit einer für Kinder sehr zugänglichen App, die den Prozess des Aufbaus sehr gelungen mit den Möglichkeiten einer interaktiven Spiele-App kombinierten.
Die Baumöglichkeiten für die Roboter wurden hier, ähnlich wie in einem (Mobile-) Game, in viele einzelne Levels unterteilt, an deren Ende ein funktionsfähiger Roboter stand. Diesen konnte man nun mithilfe eines sehr anfängerfreundlichen visuellen Programmiertools zum Leben erwecken.
Die einzelnen Befehle wurden als Symbole dargestellt, die man miteinander verbinden, und dann abspielen konnte. Die Datenübertragung fand dabei lokal über Bluetooth statt, sodass die App auch ohne stehende Internetverbindung auskam.

Nun wurde also der Stecker gezogen. Doch warum eigentlich? – Offiziell gibt es dazu keinen Kommentar. Während LEGO zum Ende von LEGO Mindstorms noch ein kurzes Statement veröffentlicht hat, wurde das LEGO Boost Set in keiner Weise erwähnt.
Das Set erschien irgendwann kommentarlos auf einer EOL- (End of Life) Liste, und war noch eine Zeit lang als „Exclusive“ auf Amazon gelistet. Im Lego-eigenen Shop wurde es als „derzeit nicht verfügbar“ angezeigt. Erst zum Zeitpunkt als das Set auf Amazon vergriffen war, wurde es auch im LEGO-Shop als Auslaufmodell gekennzeichnet. – Ein Schelm wer dabei böses denkt.
Die Gründe für das Ende von Lego Boost dürften jedoch recht profan sein: Die Verkaufszahlen in Relation zum Aufwand das Ökosystem am Leben zu erhalten: Ein normales LEGO Set muss nur einmal konzipiert werden. Ab dann kann es unendlich lange produziert und verkauft werden, ohne dass dabei Kosten über die eigentlichen Produktionskosten hinaus anfielen.
Bei einem Set wie Mindstorms oder eben Boost, muss jedoch eine App konstant betreut, weiterentwickelt und gewartet werden. Dazu dann noch eine Community gemanaged und technischer Support sowohl für die App als auch für die Hardware vorgehalten werden. Das Ganze verursacht laufende Kosten, und das unabhängig davon wie viele Einheiten man überhaupt verkauft.
Dazu hatten wir in den vergangenen Jahren mit einer großen Knappheit an Elektronik zu kämpfen. Mindstorms und auch Lego Boost waren oft vergriffen, und es wird für LEGO eine Herausforderung gewesen sein, hier für Nachschub zu sorgen. Dadurch gab es schlicht größere Phasen ohne Absatz, aber gleichbleibenden laufenden Kosten. Darüber hinaus sind die Preise für eben diese Elektronik in dieser Zeit regelrecht explodiert, sodass die Marge pro verkaufte Einheit nicht unerheblich gesunken sein dürfte. Nicht eingerechnet der Faktor, dass hier unter Umständen ganze Produktionslinien stillstanden und dennoch Kosten verursacht haben, weil wichtige Schlüsselkomponenten fehlten.
Vor dem Hintergrund ist es nicht unwahrscheinlich, dass Lego hier einfach dem ganzen Thema im wahrsten Sinne des Wortes den Stecker gezogen hat. Lego ist finanziell in der Zwischenzeit sehr stabil aufgestellt. So feierte man erst kürzlich den größten Gewinn der Firmengeschichte. Jedoch werden vor allem Lizenz-Sets für erwachsene mehr und mehr erfolgreich. Sich in dieser Situation von einer von Lieferkettenproblemen geplagten, und nur mäßig rentablen Produktlinie zu verabschieden, und dabei eine kleinere Kundenzielgruppe an Enthusiasten und pädagogisch bedachten Eltern zu enttäuschen, kann sich Lego durchaus leisten.
Für die Fans des „großen“ Lego Mindstorms hat LEGO ja auch bereits eine Alternative präsentiert: Das eigentlich für Bildungseinrichtungen konzipierte Set „SPIKE Prime“, wird nach wie vor weiter angeboten. Es kostet jedoch erheblich mehr als Mindstorms. Darüber hinaus ist es nicht für das Thema Unterhaltung konzipiert, was sich sowohl im Konzept der App, als auch im Design der Roboter niederschlägt. Das Set dürfte daher eher echte Mindstorms-Veteranen und -Enthusiasten ansprechen, und seltener unter dem Weihnachtsbaum landen.

Für die kleinen, die ihre ersten Programmiererfahrungen mit Lego Boost gehabt hätten, sieht es jedoch Mau aus. Ein auf Oberstufen und Universitäten ausgerichtetes „professionelles“ Roboter-System, dürfte einem Erstklässler nur wenig Freude bereiten. Und wer auf die bei Amazon prominent platzierten „Lego Boost Alternativen“ von der Konkurrenz hofft, wird leider enttäuscht. Die Roboter Sets von Mould King und Co. sind leider nicht mehr als ein ferngesteuertes Fahrzeug im Roboter-Outfit.
Programmierbare Alternativen im Bauklotz-Format sind kaum zu finden, und wenn, dann alles andere als kinderfreundlich. – Wenn selbst LEGO es sich nicht leisten kann oder will, das Ökosystem für ein didaktisch durchkonzipiertes und qualitativ hochwertiges Lernspielzeug bereit zu stellen und aufrecht zu erhalten, dann wird sich das auch kein anderer antun.
Aussichten
Was bleibt sind gebrauchte LEGO Boost Sets. Legosteine sind bekanntlich sehr haltbar, und bei den meisten Steinen im Set handelt es sich ohnehin um generische Exemplare. Doch was ist mit der Elektronik, den Sensoren, und dem Motor? Auch hier gibt gute Nachrichten:
Die Mechanik und die Elektronik von Lego Boost basiert auf den „Powered Up!“-Komponenten von Lego. Diese bleiben bis auf weiteres noch erhältlich. So gibt es sowohl für den Hub, also die Steuerzentrale, als auch für den Sensor und den Motor noch für einige Zeit verfügbare Ersatzteile.
Bei all den guten Nachrichten muss es aber auch eine schlechte geben: Die wirklich guten spielerischen Apps mit den Aufbau- und Programmieranleitungen wird es Zukunft nicht mehr geben.
Die App für das Star Wars Set wurde bereits Ende 2022 aus den Stores genommen. Und die App für das Original-Set soll nur noch bis 2024 im Store verbleiben. Wer sie bis dahin herunter lädt, behält sie in seiner Bibliothek. So kann man sie auch noch so lange nutzen, wie sie mit dem Betriebssystem des Geräts kompatibel ist. Wie lange das der Fall ist, kann keiner sagen.
Die Boost-Sets wird man natürlich trotzdem weiterhin aufbauen können: Die Bauanleitungen für die Roboter bekommt man noch als PDF auf der LEGO-Website.
Nach dem Auslaufen der App wird es außerdem auch weiterhin die Möglichkeit geben, die Lego Boost Roboter zu programmieren: Die Funktionalität zur Fernsteuerung und Programmierung beider Sets wird in die App „Lego Powered Up“ ausgelagert.
Das ist ein gewisser Trost, doch was leider für immer verloren sein wird, sind die spielerischen Elemente und Tutorials der Original-App, welche einen nicht unwesentlichen Teil der Erfahrung ausgemacht haben.
Das wichtigste jedoch ist: Kinder können noch einige Jahre an den gebrauchten Sets ihre Freude haben, lernen, und inspiriert werden. – Ein sehr guter Grund sehr sorgsam damit umzugehen, wenn man ein Exemplar sein Eigen nennt, und es in Zukunft vielleicht auch mal weiter zu geben.